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27 April 2023
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AT1-Anleihen aus EU rechtlich sicherer

Dass AT1-Anleihen der Credit Suisse im Zuge der Übernahme durch die UBS geschnitten wurden, beschäftigt Politik, Märkte und Anwälte. Einige Investoren wollen nun gegen die Schweizer Finanzmarktaufsicht vor Gericht ziehen, weil diese die Papiere auf null herabgeschrieben hat. Worum handelt es sich bei AT1-Anleihen, und wäre ein Schudenschnitt in dieser Form bei österreichischen und EU-Kreditinstituten möglich?

Frage: Was sind AT1-Anleihen von EU-Kreditinstituten?

Antwort: Entgegen der Bezeichnung als Schuldtitel (Anleihe) handelt es sich bei AT1-Instrumenten um Eigenkapital, genauer: zusätzliches Kernkapital von Kreditinstituten. In der Qualität der Eigenmittel eines Kreditinstituts kommen AT1-Instrumente unmittelbar nach dem harten Kernkapital wie etwa Aktien. Sie wurden nach der Finanzkrise 2008 entwickelt und sind in der EU hauptsächlich in der Kapitaladäquanzverordnung (CRR) geregelt. Damit ein Instrument als zusätzliches Kernkapital gilt, muss es eine Reihe von Anforderungen erfüllen: Insbesondere muss es auf Dauer ausgegeben sein und darf somit nur
vom Emittenten (in der Regel frühestens nach fünf Jahren) und nur mit Zustimmung der Finanzmarktaufsicht oder der Europäischen Zentralbank gekündigt werden. Ausschüttungen kann das emittierende Kreditinstitut in seinem Ermessen ausfallen lassen.

Frage: Was ist bei den AT1-lnstrumenten der Credit Suisse passiert?

Antwort: Die AT1-Instrumente wurden aus Anlass der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS auf null abgeschrieben, was zu einer Erhöhung des Kernkapitals der Credit Suisse führte. Dies erfolgte offenbar auf der Grundlage vertraglicher Bestimmungen dieser Instrumente: Die ATl-Anleihen der Credit Suisse sahen vor, dass diese nicht nur im Fall einer Bankenabwicklung oder bei Unterschreiten einer Mindestkernkapitalquote,
sondern auch bei anderen (vertraglich geregelten) Auslöseereignissen herabgeschrieben werden können (theoretisch könnten Emissionsbedingungen von EU-Instituten dies auch vorsehen, in der Praxis ist dies nicht geläufig). Ein solches vertraglich definiertes Ereignis lag nach Ansicht der schweizerischen Bankenaufsicht Finma vor dem Hintergrund des vom Bundesrat verordneten Notrechts und der Liquiditätsstützung durch den Bund vor. Im Gegensatz zu den AT1-lnstrumenten gibt es keinen Kapitalschnitt beim (noch nachrangigeren) harten Kernkapital (also den CreditSuisse-Aktien). Die Aktionäre werden ihre Aktien, wenn auch zu einem niedrigen Kurs, in UBS-Aktien tauschen.

Frage: Was wäre in Österreich und den übrigen EU-Staaten anders?

Antwort: AT1-Instrumente auf Grundlage der CRR erlauben auch ein vorübergehendes Herabschreiben. Das heißt, dass diese Instrumente (nach Verbesserung der Kapitalsituation der Emittentin) wieder „hinaufgeschrieben“ werden können. Weiters wäre es derzeit nicht möglich, in einer Bankenabwicklung das harte Kernkapital (CETi) unangetastet zu lassen, jedoch einen Schnitt beim zusätzlichen Kernkapital (AT1) zu machen. Die Reihenfolge bei der Abschreibung von Instrumenten, die in der Bank Resolution und Recovery Directive der EU (BRRD) geregelt ist, muss im Fall einer Abwicklung eingehalten werden. Theoretisch besteht gemäß der CRR zwar die Möglichkeit der Herabschreibung (oder, falls als Pflichtwandelanleihe emittiert, Umwandlung) bei „bloßer“ Unterschreitung einer harten Kernkapitalquote von 5,125 Prozent. Dies ist aber nur schwer vorstellbar, ohne dass gleichzeitig auch der Ausfall oder drohende Ausfall des Instituts vorliegt. Das endgültige Herabschreiben der ATi-Instrumente der Credit Suisse hat im Markt für große Verunsicherung gesorgt. Behörden in der EU haben deshalb öffentlich Stellung genommen, um die abweichende Rechtslage und teilweise auch Praxis in der EU zu erläutern.

Authors: Martin Ebner, Peter Feyl

Dieser Artikel erschien am 27. April 2023 in Der Standard.

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