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30 May 2022
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Nachhaltigkeit beim Vertrieb von Versicherungsprodukten

Rechtliche Konsequenzen der nicht (vollständigen) Abfrage von Kundenpräferenzen

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Versicherungsbranche weiterhin auf Hochtouren. Sei es betreffend der Implementierung von möglichen Klimawandelszenarien zur Beurteilung der unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätssituation (Own Risk and Solvency Assessment – ORSA) oder auch hinsichtlich der verpflichtenden Abfragen und den damit verbundenen vorvertraglichen Aufklärungspflichten zu nachhaltigen Investitionswünschen.

Mit 02.08.2022 tritt die delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 in Kraft, in der nunmehr geregelt wird, dass künftig die Präferenzen des potentiellen Versicherungsnehmers in Bezug auf Nachhaltigkeit abgefragt und bei der Beratung sowie der nachfolgenden Veranlagung entsprechend berücksichtigt werden müssen.

Welche neuen Verpflichtungen bestehen ab dem 02.08.2022?

Die delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 schreibt neben der Produktprüfung durch den Versicherer vor Markteinführung eines Versicherungsanlageprodukts auch konkrete Ergänzungen der Informations- und Wohlverhaltenspflichten für den Versicherungsvermittler bzw. den Versicherer vor. Konkret sollen zukünftig Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abgefragt werden, um so den Kunden die Möglichkeit zu bieten, Finanzprodukte in ihre Veranlagung einzubeziehen, die einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen beinhalten und/oder bei denen die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden.

Bereits bisher bestand die Verpflichtung, die Geeignetheit des Produkts für den individuellen Kunden zu prüfen (resultierend aus Art. 9 Abs 2 der delegierten Verordnung (EU) 2017/2359). Die Geeignetheitserklärung umfasste neben einem Überblick der erteilten Ratschläge auch Angaben, inwieweit die konkrete Produktempfehlung der Risikobereitschaft, den finanziellen Verhältnissen sowie den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden entspricht. Erweitert wurde die Beurteilung der Geeignetheit des konkreten Produkts nunmehr (durch Ergänzung von Art. 9 Abs 2 der delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 mittels der delegierten Verordnung 2021/1257) um die Frage, inwieweit das Produkt die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden berücksichtigt.

Wie schon bisher darf keine Empfehlung abgegeben werden, wenn kein Produkt für den Kunden geeignet ist. Dies ist nunmehr auch dann der Fall, wenn kein Produkt den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden entspricht.

Vielmehr ist es Aufgabe des Versicherungsvermittlers oder des Versicherers die Gründe aufzuzeigen, weshalb keine Empfehlung abgegeben werden kann. Sofern der Kunde sich daraufhin entschließen sollte, seine Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen, so ist diese Entscheidung zu dokumentieren. Hierbei ist auch die Begründung, welche zu einer Abweichung der zuvor definierten Nachhaltigkeitspräferenz geführt hat, zu dokumentieren (Erwägungsgrund 14 und Art. 2 der delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 sowie die neue Fassung des Art. 9 Abs 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359, letzter Satz).

Was, wenn die Nachhaltigkeitspräferenzen des potentiellen Versicherungsnehmers nicht (vollständig) abgefragt werden oder wenn die angegebenen Präferenzen nicht entsprechend bei der Veranlagung berücksichtigt werden?

Zunächst sind derartige Verstöße aufsichtsrechtlich unter Strafe gestellt. So sieht § 322 Abs 1 und 2, jeweils Z 5a und b VAG die Nichterfüllung der vorvertraglichen Offenlegungspflichten als Verwaltungsübertretung an, welche mit erheblichen Geldstrafen geahndet wird.

Daneben besteht bei Verletzung dieser Offenlegungspflichten auch die Gefahr einer Unterlassungsklage nach § 28a KSchG.

Und schließlich drohen zivilrechtliche Ansprüche der betroffenen Kunden. Diese könnten geltend machen, dass entgegen ihren Wünschen bzw Präferenzen die Veranlagung erfolgt ist. Erinnert diese – nicht den Wünschen des Versicherungsnehmers entsprechende Veranlagung – nicht an Fälle der fehlerhaften Anlageberatung, bei welchen die Risikopräferenz nicht entsprechend berücksichtigt wurde?

Die Geltendmachung von Fehlern in der Anlageberatung wird überwiegend auf Schadenersatzansprüche gestützt. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei nicht das positive Vertragsinteresse, sondern der Vertrauensschaden zu ersetzen. Der Anleger ist somit so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Beratung und Aufklärung stünde. Es ist demnach jener Schaden zu ersetzen, welcher im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Beratung entstanden ist.

Um derartigen Ansprüchen und den zuvor genannten Sanktionen vorzubeugen, ist die Aufnahme detaillierter Informationen im Beratungsprotokoll sowie in der Eignungserklärung jedenfalls umzusetzen.

Eine Überprüfungs- und Informationspflicht dahingehend, ob die vom Kunden angegebenen Nachhaltigkeitspräferenzen bei seiner Veranlagung "erhalten bleiben" oder ob sich die ausgewählten Anlageprodukte derart geändert haben, dass die ursprünglichen Nachhaltigkeitskriterien nicht mehr eingehalten werden, wird den Versicherer während der Vertragslaufzeit wohl nur dann treffen, wenn er sich zur regelmäßigen Überprüfung der Eignung des Anlageprodukts verpflichtet hat (§ 135a Abs 3 VAG).

authors: Manuela Zimmermann and Nadja Mihalits-Suitner

Manuela
Zimmermann

Partner

austria vienna

co-authors