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14 February 2023
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Neugestaltung der Risikokomponente fondsgebundener Lebensversicherungen – wirklich?

Seit Jahren stellt sich vor allem in ertragsteuerlicher Hinsicht die Frage, wann bei fondsgebundenen Lebensversicherungen ein Versicherungsvertrag vorliegt. In der Vergangenheit waren wiederholt ausländische Versicherungsprodukte zur ertragsteuerlichen Beurteilung, ob es sich bei der Veranlagung um versicherungsfremdes Geschäft handelt, im Fokus. Allerdings stellt sich dieselbe Frage auch für inländische Versicherer aufgrund der Gleichbehandlung in- und ausländischer Versicherungsprodukte.

Unumstritten ist, dass – sowohl für die versicherungsaufsichtsrechtliche als auch für die ertragsteuerliche Beurteilung – das Vorliegen eines Versicherungsvertrags davon abhängt, ob ein versicherungstechnisches Risiko (aleatorisches Element) vom Versicherer übernommen wird.

Allerdings ergibt sich aus der Judikatur des VwGH, dass die ertragsteuerliche Betrachtung nicht zwangsläufig mit der aufsichtsrechtlichen Beurteilung konform gehen muss.

Denn so hatte sich der VwGH bereits 2013 mit der Frage befasst, in welchem Ausmaß ein versicherungstechnisches Risiko vom Versicherer getragen werden muss. Im damaligen Fall (VwGH 28.05.2013, 2008/17/0081) hatte die FMA wie schon in ihrem Rundschreiben vom 12.12.2006 den Standpunkt vertreten, dass nur dann ein Versicherungsvertrag iSd VAG vorliege, wenn der Versicherer ein maßgebliches Risiko übernehme. Dies sei gegeben, wenn entweder ein Mindestrisikokapital im Durchschnitt über die Laufzeit iHv zumindest 5% der Deckungsrückstellung oder bei Berechnung anhand des Einmalerlags 10% von diesem bzw bei Berechnung anhand der Prämiensumme 5% von dieser im Vertrag vereinbart sei. Der VwGH sah für ein solches "maßgebliches" Risiko keine Rechtsgrundlage, weder ergäbe sich dies aus dem VAG noch aus der RL 2002/83/EG. Zudem sei dies auch nicht aus dem Begriff der Versicherung oder des Versicherungsvertrags abzuleiten. hatte der VwGH somit gerade nicht bestätigt.

Zwischenzeitlich gibt es einige weitere Entscheidungen des VwGH sowie einen interessanten Anlassfall, in welchem der VwGH in ertragsteuerlicher Hinsicht zur Frage des erforderlichen Versicherungsrisikos zu entscheiden hat. Der Beurteilungsmaßstab dürfte hier ein ganz anderer sein.

Zunächst sei die VwGH-Entscheidung Ro 2021/15/0013-3 vom 19.10.2022 erwähnt, in welcher der VwGH das Vorliegen eines (ausreichenden) versicherungstechnischen Risikos verneinte, weil der Versicherungsnehmer einer fondsgebundenen Rentenversicherung bei Rentenbeginn 91 Jahre gewesen wäre und der Versicherer das Langlebigkeitsrisiko nur mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit von 1,1% hätte tragen müssen.

Gegenstand eines nunmehr aktuellen BFG-Verfahrens (RV/5100203/2019) ist eine fondsgebundene Lebensversicherung gegen Einmalerlag, bei welcher vereinbart war, dass im Erlebensfall kein Risiko vom Versicherer übernommen wird, weil nur der Vertragswert zur Auszahlung gelangt. Im Ablebensfall während der Vertragslaufzeit sollten hingegen 105% der einbezahlten Bruttoprämie ausbezahlt werden.

In dieser dem VwGH nun zur Entscheidung vorliegenden Sache war das BFG der Ansicht, dass es nicht allein auf die Vereinbarung eines bestimmten Prozentsatzes als Todesfallleistung ankäme. Vielmehr seien die Umstände des Einzelfalls für die Frage der Risikotragung miteinzubeziehen. Hierbei nimmt das BFG auf seine Entscheidung vom 11.05.2016 (RV/7103594/2015) Bezug, wo es ausgesprochen hatte, dass eine vertraglich vereinbarte Auszahlung von 105% des Werts des Deckungsstocks ausreichend sei, wenn – wie im dortigen Fall – der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss bereits 83 Jahre alt sei.

Im aktuellen Fall hingegen sei die Versicherungsnehmerin bei Vertragsabschluss (nur) 38 Jahre alt gewesen und die Vertragslaufzeit betrug 15 Jahre. Diese Umstände seien gegenständlich zu berücksichtigen. Nachdem mit dem Eintritt des Versicherungsfalls während der vereinbarten Vertragsdauer somit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gerechnet werden könne, sei das Todesfallrisiko im Hinblick auf das Alter der Versicherungsnehmerin nach Ansicht des BFG als so gering einzustufen, dass dem konkreten Vertrag das für einen Lebensversicherungsvertrag typische versicherungstechnische Risiko fehle.

Das heißt im Ergebnis: Für die ertragsteuerliche Betrachtung kommt es auf die individuelle Risikotragung beim konkreten Vertrag an; bei aufsichtsrechtlicher Betrachtung hingegen auf die tariflich vorgesehene Risikotragung für das Versichertenkollektiv des Tarifs. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen könne nämlich nicht angenommen werden, dass der Versicherungsbegriff des Einkommensteuergesetzes formal in jeder Hinsicht an jenen des Versicherungsaufsichtsrechts anknüpfen solle (siehe dazu VwGH 23.11.2016, Ro 2015/15/0012).

Wenn ein (ausreichendes) versicherungstechnisches Risiko fehlt, sind für die Frage, ob die Erträge aus der Versicherung als einkommensteuerlich relevante Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, die weiteren Kriterien für die Einkünftezurechnung aus dem Deckungsstock zu prüfen. Auch hier zeigt sich, dass die bisherigen Voraussetzungen für eine Zurechnung mit den letzten Entscheidungen des VwGH bereits deutlich ausgeweitet wurden.

Das BFG führt in Übereinstimmung mit dem Urteil des VwGH vom 19.10.2022 (Ro 2021/15/0013-3) aus, dass die Versicherungsnehmerin im Anlassfall weder die Möglichkeit der Beeinflussung

  1. von Einzelinvestments oder der Verkaufsentscheidungen des Versicherers bzw des vom Versicherer beauftragten Vermögensverwalters noch
  2. der Auswahl des Vermögensverwalters noch
  3. der Wahl der Depotbank hatte.

Allerdings hätte die Versicherungsnehmerin eine andere Versicherung abschließen können, wenn sie mit der Auswahl der Depotbank bzw des Depotverwalters nicht einverstanden gewesen wäre, so dass die Entscheidung, wem das Vermögen anvertraut wird, letztlich doch bei ihr lag. Zudem hatte die Versicherungsnehmerin vertraglich eingeräumte Rechte zu

  1. shiften und switchen,
  2. Kündigung nach einem Jahr und
  3. der Entnahme von bis zu 25% des Einmalerlags.

Durch diese vertraglich eingeräumten Rechte habe die Versicherungsnehmerin hinreichende Einflussmöglichkeit, so dass dieser der Deckungsstock wirtschaftlich iSd § 24 BAO zugerechnet werde.

Sollte der VwGH das Urteil des BFG bestätigen, heißt das im Ergebnis, dass Versicherer ein "maßgebliches" versicherungstechnisches Risiko jeweils im konkreten Einzelfall zu tragen haben, damit eine fondsgebundene Versicherung auch ertragsteuerlich als Versicherungsvertrag betrachtet wird. Damit wären Versicherer über den "Umweg" des Ertragsteuerrechts letztlich gezwungen, deutliche höhere Anforderungen an die Risikodeckung zu erfüllen als dies das Aufsichtsrecht vorsieht; anderenfalls ihre (zwar aufsichtsrechtlich zulässigen) Produkte wohl keine Kunden mehr finden werden.

author: Manuela Zimmermann

Manuela
Zimmermann

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