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20 November 2025
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Österreich: Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG): Neuer Anlauf

Im Ministerrat vom 18.11.2025 hat sich die österreichische Bundesregierung auf den Entwurf eines "Günstiger-Strom-Gesetzes" geeinigt. Dieses beinhaltet eine überarbeitete Fassung des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes ("ElWG"). Was hat sich geändert? Ein kurzer Überblick zu ausgewählten Themen.

1  Anschlussentgelte

Gegenüber dem Ministerialentwurf vom 03.07.2025 ("Vorentwurf") wurden die Regelungen zum Netzanschluss- und Netznutzungsentgelt spürbar nachgeschärft. Der Entwurf des ElWG sieht ein höheres Netzanschlussentgelt für Erzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger vor: Bei einer netzwirksamen Leistung bis 20 kW werden nun 13 Euro pro kW (statt bisher 10 Euro pro kW) fällig, und bei einer netzwirksamen Leistung von mehr als 20 MW beträgt das Netzanschlussentgelt 91 Euro pro kW (statt bisher 70 Euro pro kW). Einspeiser mit einer netzwirksamen Leistung bis 7 kW sind vom Netzanschlussentgelt befreit. Für Stromerzeugungsanlagen, die an einen für den systemdienlichen Betrieb geeigneten Standort oder an einem Standort mit hohen verfügbaren Kapazitäten angeschlossen sind, gilt eine reduzierte Pauschale. Unverändert gilt: Die Letztentscheidung über die Höhe des Netzanschlussentgelts liegt bei der E-Control. Sie kann eigene Pauschalen für den Anschluss von PV- und Windkraftanlagen verordnen und damit die gesetzlich festgelegten Pauschalen außer Kraft setzen.

2  Systemdienlicher Betrieb von Anlagen

Der systemdienliche Betrieb von Erzeugungs-, Verbrauchs- oder Energiespeicheranlagen dient als Leitkriterium für Anreize: Bspw sind Energiespeicheranlagen vom (bezugsseitigen) Netznutzungs- und Netzverlustentgelt befreit, wenn sie systemdienlich betrieben werden. Nach dem überarbeiteten Entwurf ist systemdienlicher Nutzen im Sinne von Kostenreduktionen, Kostenvermeidung oder Aufrechterhaltung der Netz- und Versorgungssicherheit zu verstehen. Von einer Kostenvermeidung oder -reduktion ist auszugehen, wenn die Anlage aufgrund ihres Last- oder Einspeiseverlaufs nicht oder nur in geringem Ausmaß zu Netzspitzen beiträgt und dadurch ein Ausbau der Netze vermieden werden kann. Die neue Definition des systemdienlichen Betriebs gibt mehr Argumentationsspielraum für Anlagenbetreiber. Insbesondere kann im Einzelfall auch außerhalb von im Netzentwicklungsplan ausgewiesenen Standorten ein systemdienlicher Betrieb argumentiert werden, und zwar auch dann, wenn keine Flexibilitätsleistungen auf Anforderung des Netzbetreibers erbracht werden. Die E-Control wird die genauen Kriterien zur Beurteilung des systemdienlichen Betriebs in Bezug auf die Netzentgelte per Verordnung festlegen.

3  Spitzenkappung

Bei der Spitzenkappung bleibt es vorerst. Die netzwirksame Leistung von bestimmten PV- und Windkraftanlagen kann künftig dauerhaft begrenzt werden. Die dauerhafte Ausgestaltung der Spitzenkappung wirft unionsrechtliche Fragen auf, weil Art 6a Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie – Grundlage dieses Instruments – lediglich von temporären Einschränkungen ausgeht.

Das Ausmaß der Spitzenkappung darf maximal 2 % der erzeugten Jahresenergiemenge einer Referenzanlage ausmachen und 15 % ihrer Maximalkapazität nicht überschreiten. Die Begrenzung der netzwirksamen Leistung kann statisch oder dynamisch (PV) oder ausschließlich dynamisch (Windkraft) erfolgen. Bei PV-Anlagen darf die Begrenzung 60 % der Modulspitzenleistung nicht unterschreiten. Spezialbestimmungen sieht der Entwurf für die Spitzenkappung von Hybridparks vor. Eine über das gesetzlich festgelegte Ausmaß hinausgehende Spitzenkappung unterliegt dem (entschädigungspflichtigen) Engpassmanagement des Netzbetreibers.

Ein finanzieller Ausgleich für die Leistungsbegrenzung ist nicht vorgesehen. Anlagenbetreiber sind verpflichtet, an der Vermeidung von Ausgleichsenergiekosten aktiv mitzuwirken. Die Ausgleichsenergiekosten sind – abhängig vom Zeitpunkt der Ankündigung der Spitzenkappungsmaßnahme – entweder vom Erzeuger oder vom (verursachenden) Netzbetreiber zu tragen.

4  Flexibler Netzzugang im Verteilernetz

Anders als im Vorentwurf sollen Netzbetreiber nicht verpflichtet werden, auf Verlangen des Betreibers einer Stromerzeugungsanlage über 1 MW vorübergehend flexiblen Netzzugang zu gewähren. Demgegenüber kann auf Verlangen des Anlagenbetreibers für Erzeugungs-, Verbrauchs- und Energiespeicheranlagen ein flexibler Netzzugang dauerhaft vereinbart werden. Es gilt daher sowohl für die vorübergehende als auch dauerhafte Gewährung eines flexiblen Netzzugangs das Vereinbarungsprinzip. Energiespeicheranlagen scheinen insoweit benachteiligt zu werden, als für diese bezugsseitig keine Möglichkeit eines vorübergehend flexiblen Netzzugangs besteht. Das ist im Hinblick auf Batteriespeicher, die sowohl einspeise- als auch bezugsseitig aktiv sind, kritisch zu sehen. Im Übertragungsnetz wird für Energiespeicheranlagen sowohl einspeise- als auch bezugsseitig ein flexibler Netzzugang ermöglicht.

5  Virtuelle Zählpunkte (Abrechnungsprunkte) und Aggregationsmodelle

Das ElWG wird eine Vielzahl von neuen Geschäftsmodellen ermöglichen. Durch die Einführung klarer Regeln für Zähl- bzw Abrechnungspunkte wird es zukünftig möglich sein, innerhalb einer Netzkundenanlage angesiedelte Betriebsmittel (zB Erzeugungsanlagen, Batteriespeicher, Verbrauchsanlagen) einzeln zu vermarkten oder über anlagenspezifische Lieferverträge mit Elektrizität zu versorgen. Gleichzeitig können diese Betriebsmittel Bestandteil von Aggregationsmodellen werden. Netzkunden (Erzeuger und Verbraucher) haben daher die Möglichkeit, ihre Lasten mit anderen Marktteilnehmern zu bündeln und damit optimiert zu vermarkten. Insbesondere das Erbringen von aggregierten Flexibilitätsleistungen könnte sich zu einem interessanten Geschäftsmodell entwickeln.

6   Direktleitungen

Nach derzeitiger Rechtslage darf im Fall einer Direktleitung kein Stromaustausch mit dem öffentlichen Netz stattfinden. Eine Vielzahl von Direktleitungsprojekten scheiterte an dieser Vorgabe. Das ElWG soll diese Vorgabe beseitigen, allerdings sieht der neue Entwurf technische Kriterien für Direktleitungen vor, die zur Vermeidung von ungewollten Stromflüssen (Ringflüssen) eingehalten werden müssen: So müssen an allen Übergabestellen Einrichtungen zum Netz- und Anlagenschutz vorgesehen werden. Zudem dürfen Direktleitungen nur über einen einzigen Netzanschluss an das öffentliche Netz angeschlossen werden. Im Fall von weiteren Netzanschlüssen muss deren Trennbarkeit vom öffentlichen Netz sichergestellt werden.

7  Energiegemeinschaften – Gemeinsame Energienutzung

Bei der gemeinsamen Nutzung von Energie durch Mitglieder von Bürgerenergiegemeinschaften ("BEG") oder Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften ("EEG") sind die Bestimmungen zur Gemeinsamen Energienutzung (§ 68 ElWG) zu beachten. Der Vorentwurf sah dazu noch vor, dass jeder aktive Kunde – also auch jedes Mitglied/jeder Gesellschafter einer BEG oder EEG – berechtigt sei, lediglich mit Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 6 MW an einer gemeinsamen Energienutzung teilzunehmen. Nach dem neuen Entwurf soll die 6 MW-Beschränkung nur mehr für große Unternehmen gelten. Zudem wurde für große Unternehmen das Erfordernis einer Ansiedelung im Regionalbereich gestrichen. Es reicht daher, wenn sich die Unternehmen innerhalb des Bundesgebiets befinden (§ 68 Abs 4 ElWG).

8  Wie geht es nun weiter?

Das im Ministerrat beschlossene ElWG wird nun an den Nationalrat weitergeleitet. Dort wird es dem zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zugewiesen. Nach Beratung und Abstimmung in der für den 09.12.2025 anberaumten Ausschusssitzung könnte das ElWG bereits in einer der Nationalratssitzungen vom 10. bis 12.12.2025 zur Abstimmung gelangen. Die erforderliche 2/3 Mehrheit ist jedoch nicht sicher.