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25 November 2020
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OGH - Aufgriffsrechte in der Insolvenz sind zulässig

Hintergrund: In der Praxis vereinbaren Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) im Gesellschaftsvertrag häufig sog. Aufgriffsrechte, das sind im Wesentlichen wechselseitige Erwerbsrechte, die bei Eintritt von definierten Ereignissen (sog. "Aufgriffsfälle") zum Erwerb des Geschäftsanteils des vom relevanten Ereignis betroffenen Gesellschafters berechtigen. Ein Aufgriffsfall ist zB der Tod eines Gesellschafters, der eine natürliche Person ist.

Seit längerem umstritten ist die Zulässigkeit von Aufgriffsrechten für den Fall, dass ein Gläubiger einen Geschäftsanteil eines Gesellschafters zwangsweise exekutiert (pfändet) oder ein Gesellschafter insolvent wird.

Grund für die Vereinbarung solcher Aufgriffsrechte ist einerseits, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterrechte nicht mehr frei wahrnehmen kann und weil man sich vor unbekannten oder ungewollten Gesellschaftern schützen möchte. Der erstgenannte Grund ist vor allem im Start-Up/Venture Capital Bereich relevant: eine Handlungsunfähigkeit eines Gesellschafters könnte Finanzierungsrunden oder Exits Verhindern, was vor allem von Investoren, aber auch von Gründern, unbedingt zu vermeiden ist.

Bis August 2019 war es gängige Praxis, solche Aufgriffsrechte zu vereinbaren. Zum Teil war es anerkannt, dass solche Aufgriffsrechte unzulässig sind, zB bei Vereinbarung eines Abschlags auf den Aufgriffspreis, wenn ein solcher Abschlag nicht bei allen Aufgriffsfällen ebenso zur Anwendung kommt.

Im August 2019 entschied das OLG Linz (6 R 95/19m), dass gesellschaftsvertragliche Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters jedenfalls unzulässig seien. Die österreichischen Gerichte sind dieser Entscheidung zum Teil gefolgt, zum Teil nicht.

Der OGH hat nun in einer aktuellen Entscheidung (6 Ob 64/20k) klargestellt, dass gesellschaftsvertraglich vereinbarte Aufgriffsrechte für den Fall der Insolvenz eines Gesellschafters sehr wohl zulässig sein können und zwar auch für den Fall, dass der Aufgriffspreis unter dem Verkehrswert des Geschäftsanteils liegt.

Der OGH führte in seiner Entscheidung insbesondere aus, dass ein Aufgriffsrecht auf den Geschäftsanteil eines Gesellschafters in der Insolvenz nicht im Sinne eines "Rosinenpickens" isoliert betrachtet werden sollte, sondern in einem wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang – das Aufgriffsrecht stellt einen (untrennbaren) Teil eines Geschäftsanteils dar. Bei einem Geschäftsanteil an einer GmbH handelt es sich nämlich um eine Summe von Rechten und Pflichten des Gesellschafters. Ein solches Aufgriffsrecht gelte daher auch im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters. Zur Frage des Aufgriffspreises hält der OGH fest, dass eine Beschränkung des Aufgriffspreises unter dem Verkehrswert des Geschäftsanteils in den Fällen der Exekution und Insolvenz des Gesellschafters nur zulässig ist, wenn sie nicht nur in diesen Fällen greift, sondern eine entsprechende Reduktion des Aufgriffspreises für jede Konstellation des freiwilligen (insbesondere der Anteilsübertragung) und des unfreiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters vereinbart wird und keine sittenwidrige Schädigungsabsicht vorliegt.

Aufgriffsrechte betreffend den Geschäftsanteil eines sich in der Insolvenz befindlichen Gesellschafters sind also zulässig. Der Aufgriffspreis kann sehr wohl auch unter dem Verkehrswert liegen, sowie dieser Preisabschlag für sämtlich Aufgriffsfälle zur Anwendung kommt.

authors: Thomas Kulnigg and Maximilian Nutz

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