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19 May 2022
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REPowerEU – Erste Einblicke in den Kommissionsvorschlag zur Beschleunigung von Erneuerbaren-Energie-Projekten

1. REPowerEU – Was ist das?

Die Europäische Kommission hat am 18. Mai 2022 ein Paket zur schnellen Beendigung der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas sowie zur schnelleren Realisierung der Energiewende präsentiert (siehe hier). Neben Energiesparmaßnahmen, einer Diversifizierung der Importe sowie einer Erhöhung von Fördermitteln aus unterschiedlichen Töpfen ist darin insbesondere eine Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien ("EE") vorgesehen.

Das aktuelle "Fit for 55"-Paket der EU sieht bisher vor, den Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch bis 2030 auf 40 % zu erhöhen. Nach dem Vorschlag "REPowerEU" soll dieses bereits sehr ambitionierte Ziel noch weiter auf 45 % erhöht werden. Als konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels werden vorgesehen:

  • Verdopplung der Stromerzeugung aus PV bis 2025 und eine Leistung von 600 GW bis 2030 im Rahmen einer "EU-Solar-Strategie";
  • Sukzessive Einführung einer Verpflichtung, auf öffentlichen und kommerziell genutzten Gebäuden PV-Anlagen zu installieren;
  • Verdopplung des Tempos beim Einsatz von Wärmepumpen;
  • Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für große EE-Projekte;
  • Erhöhung der Erzeugungskapazitäten von erneuerbarem Wasserstoff auf 10 Mio Tonnen/Jahr bis 2030;
  • Erhöhung der Erzeugungskapazitäten von Biomethan auf 35 Mrd m³/Jahr bis 2030.

2. Vorschläge zur Verfahrensbeschleunigung

Da die Umsetzung von EE-Projekten in Österreich derzeit auch aufgrund teils sehr langer Genehmigungsverfahren stockt, verdient das Ziel, diese Verfahren zu beschleunigen, besondere Aufmerksamkeit: Als Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels hat die Europäische Kommission einerseits eine (unverbindliche) Empfehlung ausgesprochen (siehe hier) und andererseits einen Vorschlag zur Änderung der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie vorgeschlagen (siehe hier). Während der Inhalt der Empfehlung weitestgehend zu begrüßen ist, würde der Richtlinienvorschlag im Fall seiner Annahme in der Genehmigungspraxis eine noch größere Rolle spielen. Dazu im Einzelnen:

2.1 Ausweisung von "Go-To-Areas"

Nach dem Richtlinienvorschlag der Kommission sollen die Mitgliedstaaten ("MS") dazu verpflichtet werden, binnen einem Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie diejenigen Flächen zu ermitteln, die zur Erreichung des Erneuerbaren-Ziels für 2030 erforderlich sind. Binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie sollen aus diesen Flächen sog "Go-To-Areas" für einzelne oder mehrere EE-Technologien ausgewiesen werden. Dabei sollen verbauten Flächen der Vorzug gegeben und insb Natura 2000-Gebiete ausgeklammert werden.

Gleichzeitig sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass für diese "Go-To-Areas" geeignete Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen getroffen werden, um negative Umweltauswirkungen zu verringern. Bevor die Mitgliedstaaten ihre Pläne für "Go-To-Areas" in Kraft setzen, haben sie eine Strategische Umweltprüfung ("SUP") nach der SUP-Richtlinie sowie allenfalls eine Naturverträglichkeitsprüfung ("NVP") nach der Fauna-Flora-Habitate-Richtlinie ("FFH-RL") durchzuführen. Nach Abschluss der SUP sollen die "Go-To-Areas" öffentlich kundgemacht werden.

Die Schaffung von "Go-To-Areas" für den EE-Ausbau ist gerade vor dem Hintergrund des weitverbreiteten "Floriani"- oder "Not-In-My-Backyard"-Prinzips zu einer unaufschiebbaren Notwendigkeit geworden. Die Idee ist allerdings nicht neu: Schon heute werden in Österreich sog "Eignungszonen" insb für Windkraft und PV-Freiflächenanlagen festgelegt.

Als echter "Gamechanger" könnte sich allerdings die verpflichtende Verknüpfung mit den Ausbauzielen erweisen: Der Druck, ausreichend viele Eignungszonen bzw "Go-To-Areas" für sämtliche EE-Technologien auszuweisen, würde aufgrund dieser unionsrechtlichen Verpflichtung deutlich steigen. Auch die kurzen Fristen für die Ausweisung tragen zu einer (weiteren) Erhöhung des Handlungsdrucks bei.

Gleichzeitig ist zu erwarten, dass viele der Diskussionen, die derzeit in UVP-Verfahren geführt werden, noch stärker auf die Ebene der Ausweisung der "Go-To-Areas" verlagert werden. Es bleibt daher abzuwarten, wie schnell die "Go-To-Areas" ihre volle Wirksamkeit (dazu sogleich) entfalten.

2.2 Erleichterungen für EE-Projekte in "Go-To-Areas"

Durch die Ausweisung von "Go-To-Areas" soll bereits auf Ebene der (behördlichen) Planungen festgelegt werden, welche Gebieten für die Erreichung der EE-Ausbauziele genutzt werden sollen. Wichtige Fragen, die derzeit in den Projektgenehmigungsverfahren geklärt werden, sollen dadurch auf die Planungsebene verlagert und bestehende "doppelte" Umweltprüfungen vermindert bzw aufgelöst werden. Anhand des üblichen Verfahrensgangs eines EE-Projekts sind folgende Erleichterungen für Projekte in "Go-To-Areas" vorgesehen:

  1. Verfahrensart und Behördenzuständigkeit: EE-Projekte (inklusive Speicher am selben Standort und Netzanschluss) sollen dann von UVP- und NVP-Pflicht ausgenommen werden, wenn sie in "Go-To-Areas" für die jeweilige Technologie umgesetzt und die vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen beachtet werden. Diese Ausnahme von UVP- und NVP-Pflicht soll allerdings nicht für Biomassekessel und für EE-Projekte gelten, die erhebliche negative Auswirkungen auf andere Mitgliedstaaten haben können.

    EE-Projekte in entsprechend ausgewiesenen "Go-To-Areas" wären demnach in Österreich nur nach den Materiengesetzen zu genehmigen, was einen geringeren Aufwand bei der Erstellung der Einreichunterlagen bedeuten kann. Ob das Führen mehrerer Verfahren außerhalb der UVP statt dem voll konzentrierten UVP-Genehmigungsverfahren in Österreich zu einer Beschleunigung führt, bleibe dahingestellt. Eine wirkliche Beschleunigung ist eher dann gegeben, wenn sämtliche Genehmigungen von einer einzigen Behörde erteilt werden (siehe Punkt 2.). Schließlich ist zu erwarten, dass sich die Materienverfahren oft um die Übereinstimmung des Projekts mit den Vorgaben der "Go-To-Area" (und insb den darin vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen) drehen werden und sich der Widerstand gegen Projekte von den Genehmigungs- auf die Widmungsverfahren verlagern werden.
  2. Vollständigkeitsprüfung: Nach Einlangen des (materienrechtlichen) Genehmigungsantrags hat die zuständige Behörde den Antrag binnen 14 Tagen zu entscheiden, ob der Antrag (i) zugelassen, (ii) der Projektwerber zur Nachreichung von Verbesserungen binnen (weiterer) 14 Tagen aufgefordert oder aber (iii) der Antrag mangels Vollständigkeit zurückgewiesen Eine Zurückweisung muss von der Behörde näher begründet werden. Nach einer Zurückweisung kann jederzeit ein neuerlicher Antrag gestellt werden. Ab Zulassung des Genehmigungsantrags beginnen die Fristen für die Genehmigung (siehe Punkt 4.) zu laufen.

    Dabei ist zu beachten, dass die Vollständigkeitsprüfung in Österreich insb bei großen EE-Projekten derzeit oftmals mehrere Jahre dauert. Eine Verkürzung dieses Prozesses auf lediglich zwei Wochen wird praktisch nur durch eine massive Aufstockung des Behördenpersonals und eine Beschränkung des Verbesserungsauftrags auf allfällige eklatante Lücken des Einreichoperats machbar sein. Selbst dann bleibt abzuwarten, wie die Behörden mit Verbesserungsforderungen umgehen, um mehrere "Einreichschleifen" zu vermeiden.
  3. "Screening"-Prüfung: Wurde der Genehmigungsantrag zugelassen, hat die Behörde eine sog "Screening-Prüfung" durchzuführen. Diese Prüfung zielt darauf ab festzustellen, ob ein konkretes Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit relevante, unvorhergesehene negative Auswirkungen hat, die nicht bereits im Zuge der SUP (und ggf der NVP) über die "Go-To-Area" festgestellt wurden. Dazu haben Projektwerber Unterlagen bereitzustellen, aus denen sich die Übereinstimmung mit den "Go-To-Areas" insb hinsichtlich der Vermeidung erheblicher Umweltauswirkungen und der Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen ergibt. Die "Screening-Prüfung" hat binnen 30 Tagen (bzw bei Repowering-Projekten und Projekten mit einer Engpassleistung < 150 kW: binnen 15 Tagen) nach Einreichung des Genehmigungsantrags zu erfolgen.

  4. Genehmigungsfiktion vs UVP: Nach der "Screening-Prüfung" sowie bei behördlicher Untätigkeit sollen EE-Projekte in "Go-To-Areas" ohne ausdrückliche Entscheidung der zuständigen Behörde als genehmigt gelten (Genehmigungsfiktion). Alternativ hat die Behörde eine begründete Entscheidung zu fällen, dass ein konkretes EE-Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit relevante, unvorhergesehene negative Auswirkungen hat, die auch nicht durch die für die "Go-To-Area" vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen gelindert werden können. Solche Projekte sind nach dem Richtlinienentwurf einer UVP und ggf einer NVP zu unterziehen, die binnen sechs Monaten nach der "Screening-Entscheidung" abgeschlossen sein soll.

    Dabei stellen sich gleich mehrere Fragen: So ist nach dem Richtlinientext insb fraglich, ab wann im Fall einer Genehmigungsfiktion rechtssicher mit der Umsetzung von EE-Projekten in "Go-To-Areas" begonnen werden kann. Zwar ist im Richtlinienentwurf für EE-Projekte in "Go-To-Areas" eine maximalen Gesamtverfahrensdauer von einem Jahr (bzw sechs Monaten für Repowering-Projekte und Projekte mit einer Engpassleistung < 150 kW) vorgesehen. Allerdings ist unklar, ob und falls ja, wann und wie dagegen Rechtsmittel erhoben werden können (und ob diese aufschiebende Wirkung haben). Im Fall einer "negativen" Screening-Entscheidung wäre vielfach mit Rechtsmitteln der Projektwerber zu rechnen, für die keine Entscheidungsfristen vorgesehen sind. Die Effektivität des Richtlinienvorschlags würde in der derzeitigen Fassung somit stark von der nationalen Umsetzung abhängen.

2.3 Erleichterungen für alle EE-Projekte

Geht es nach dem Richtlinienvorschlag, soll künftig zwar zwischen EE-Projekten innerhalb und außerhalb von "Go-To-Areas" unterschieden werden. Der Entwurf macht aber deutlich, dass es zur Zielerreichung einen umfassenden EE-Ausbau (und nicht nur in den "Go-To-Areas") braucht. Daher sind auch Erleichterungen für EE-Projekte außerhalb dieser Eignungszonen vorgesehen:

  1. "One-Stop-Shop": Das Genehmigungsverfahren soll alle erforderlichen Genehmigungen für die Erzeugung, (angeschlossene) Speicherung und die Netzanbindung umfassen. Nach dem Wortlaut dürften parallele Behördenzuständigkeiten zwar theoretisch weiterhin zulässig sein, sofern diese ein einziges, abgestimmtes Verfahren durchführen. Im Rahmen der nationalen Umsetzung wäre die Zuständigkeit einer einzigen Behörde für sämtliche Genehmigungen aber klar zu bevorzugen (wenn auch aus verfassungsrechtlicher Sicht schwierig umzusetzen).

  2. Vorgaben zur Verfahrensdauer: Genehmigungsverfahren für EE-Projekte außerhalb von "Go-To-Areas" sollen künftig nicht länger als zwei Jahre (im Fall von Repowering-Projekten oder Projekten mit einer Engpassleistung < 150 kW: ein Jahr), mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um drei Monate, dauern. Im Fall einer Verlängerung sollen die Behörden den Projektwerber über die außerordentlichen Umstände informieren müssen, die eine Verlängerung erforderlich machen.

    Ob eine solche unionsrechtliche Vorgabe tatsächlich eine Beschleunigung von EE-Projekten bewirkt, ist zweifelhaft: Erstens sind Rechtsmittelverfahren von dieser Maximalfrist ausdrücklich ausgenommen. Höchstfristen für Rechtsmittelverfahren sind allerdings nicht vorgesehen. Zweitens beträgt die Entscheidungsfrist nach dem österreichischen Recht schon heute grds nur sechs Monate, ist also kürzer als nun vorgeschlagen. Bei Überschreitung dieser Frist kann zwar eine Säumnisbeschwerde an das jeweils zuständige Verwaltungsgericht erhoben werden. Das Gericht muss sich in diesem Fall aber wieder "von Neuem" in das Projekt einarbeiten, was mit weiteren Verfahrensverzögerungen verbunden ist. Eine Verbesserung des Rechtsschutzes gegen eine behördliche (oder verwaltungsgerichtliche) Säumnis ist im Richtlinienvorschlag nicht enthalten. Eine Beschleunigungswirkung dieser Regelungen ist somit – zumindest in Österreich – nicht ersichtlich.

    Auch die Verkürzung der Vollständigkeitsprüfung, die für EE-Projekte außerhalb von "Go-To-Areas" binnen höchstens einem Monat zu erfolgen hat, bedürfte im nationalen Recht einer detaillierten Umsetzung, um wirklich effektiv zu sein. Siehe dazu bereits oben in Kap 2.2.
  3. Vorgaben zu Verfahrensart und -umfang: EE-Projekte, die nach dem nationalen Recht einer UVP oder NVP zu unterziehen sind, sollen einem einheitlichen Verfahren unterzogen werden, das alle relevanten Prüfungen umfasst. Für UVP-pflichtige Vorhaben in Österreich ergäbe sich daraus keine Änderung, weil das UVP-Verfahren (im Fall von EE-Projekten) sämtliche erforderlichen Genehmigungen und damit auch eine allfällige NVP umfasst. Änderungen könnten sich daraus lediglich für EE-Projekte ergeben, die zwar NVP- aber nicht UVP-pflichtig sind.

    Eine deutliche Beschleunigung von UVP-Verfahren über EE-Projekte könnte dadurch bewirkt werden, dass die UVP-Behörde anhand von Informationen der Projektwerber den Umfang und Detailgrad der UVE festzulegen hat. Der so festgelegte Umfang soll im weiteren Verfahren nicht mehr geändert werden dürfen. Auch hier stellt sich allerdings die schwierige Frage und wäre auf nationaler Ebene noch festzulegen, wie der Rechtsschutz zu dieser Festlegung ausgestaltet werden soll, um dieser Bestimmung eine Beschleunigungswirkung zu verleihen.
  4. Artenschutzrechtliche Erleichterungen: Sofern in EE-Projekten "angemessene" Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen sind, sollen Tötungen und Störungen unionsrechtlich geschützter Arten nicht mehr als "absichtlich" gelten. Falls "neue", bisher nicht erprobter Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen vorgesehen sind, die die Tötung und Störung möglichst vieler Exemplare unionsrechtlich geschützter Arten verhindern sollen, dürfen die Mitgliedstaaten einzelne dieser Projekte genehmigen. Dabei sind engmaschige Monitoringprogramme vorzusehen und Vorsorge zu treffen, falls die Maßnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen.

    In der Genehmigungspraxis spielen die artenschutzrechtlichen Verbote eine bedeutende Rolle, weil nach dem EuGH ua unbeabsichtigte Tötungen und Störungen geschützter Arten durch EE-Projekte zu vermeiden bzw nur aufgrund eines strengen Ausnahmeregimes zulässig sind. Dieser strenge Schutz gilt allerdings nicht nur für Tötungen und Störungen von Tieren, sondern auch für die Zerstörung oder Entnahme von Eiern sowie die Beschädigung und Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Weiters sieht die FFH-RL ebenso strenge Vorschriften für Pflanzenarten vor. Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, warum "nur" Ausnahmebestimmungen vom Tötungs- und vom Störungsverbot, nicht aber den anderen Verboten vorgesehen sind. Auch wird die Effizienz der nunmehr vorgesehenen Ausnahmeregelungen maßgeblich vom Verständnis der Begriffe "angemessene" bzw "neue" Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen abhängen. Eine unionsrechtliche Klarstellung, dass die Umsetzung von EE-Projekten generell keine "absichtlichen" Eingriffe oder eine Beschädigung und Vernichtung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten im Sinne des Artenschutzrechts bewirkt, wäre klar zu bevorzugen.
  5. "Übergeordnetes öffentliches Interesse": Nach dem Kommissionsvorschlag ist vorgesehen, dass Planung, Errichtung und Betrieb von EE-Projekten samt Netzanschluss sowie der Netzinfrastruktur "bis zur Erreichung der Klimaneutralität" die Vermutung zukommt, im "übergeordneten öffentlichen Interesse" gelegen zu sein und einen Beitrag zur Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit zu leisten.

    Für die Genehmigungspraxis würde diese Vermutung sowohl eine Beschleunigung hinsichtlich der Unterlagenerfordernisse als auch eine Verminderung des Verfahrensrisikos bedeuten: Derzeit obliegt es zumeist den Projektwerbern, das öffentliche Interesse an ihren Projekten – oft durch umfangreiche Unterlagen – zu belegen. Diese Unterlagen könnten bei Umsetzung des RL-Vorschlags vermutlich schlanker ausfallen. Eine Verminderung des Genehmigungsrisikos ist dadurch zu erwarten, dass diese Vermutung in allfällige Interessenabwägungen bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen nach Wasser- oder Naturschutzrecht einzufließen hat. Eine "Genehmigungsgarantie" ist damit aber natürlich nicht verbunden.

3. Fazit

Nach den insb vom EuGH getriebenen unionsrechtlichen Entwicklungen der letzten Jahre ist grds jeder Versuch zu begrüßen, Genehmigungsverfahren für EE-Projekte zu beschleunigen. In dem am 18. Mai 2022 vorgelegten Richtlinienvorschlag greift die Europäische Kommission dabei auf Instrumente zurück, die in Österreich zT längst umgesetzt sind, zT werden lange bestehende Probleme vorsichtig angegangen. Als positiv ist dabei die Verknüpfung der "Go-To-Areas" mit den Ausbauzielen sowie der Versuch einer Verkürzung der Vollständigkeitsprüfung hervorzuheben. Auch die Genehmigungsfiktion für EE-Projekte in "Go-To-Areas" würde dazu zählen, wenn nicht wesentliche Fragen zur Rechtssicherheit noch völlig offenblieben.

Gleichzeitig besteht natürlich noch viel mehr Beschleunigungspotenzial und -bedarf: Neben den bereits oben vorgeschlagenen Klarstellungen insb zu "One-Stop-Shops", Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten usw wäre bspw an eine Beschränkung der Stellungnahmemöglichkeiten der Parteien oder ein "Einfrieren" des Stands der Technik im Antragszeitpunkt dringend erforderlich, um der Energiewende zum Durchbruch zu helfen. Weiters wären die vorgeschlagenen Beschleunigungsmaßnahmen dringend auf Speichertechnologien auszudehnen: Erst durch eine entsprechende Ausbau der Speicherinfrastruktur können fossile Energieträger durch Strom substituiert werden.

Generell bleibt abzuwarten, wie sich dieser Entwurf im Laufe des weiteren europäischen Gesetzgebungsprozesses entwickelt. Bereits jetzt lässt sich sagen, dass die Effektivität der Verfahrensbeschleunigung stark von der nationalen Umsetzung der Richtlinie abhängen wird. Die Gelegenheit und das Potenzial für einen echten Wandel wären durchaus gegeben.

author: Christoph Cudlik

Christoph
Cudlik

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