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16 August 2023
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Was bei Volksbefragungen schiefgehen kann

Wollen Gemeinden ihre Bürger befragen, ist dies nicht nur politisch, sondern auch rechtlich heikel. Schon die Formulierung am Stimmzettel kann problematisch sein, wenn sie nicht klar und neutral genug ausfällt.

This article was first published on Die Presse, 14.08.2023

Wien. Immer öfter versuchen Gemeinden, die Einstellung der Bevölkerung zu konfliktträchtigen Themen durch Volksbefragungen zu ergründen. So auch vor Kurzem in Gaal in der Steiermark, wo ein Windkraftprojekt aufgrund der Ablehnung der Gemeindebürger endgültig gescheitert ist.

Grundsätzlich sind Volksbefragungen auf Gemeindeebene zwar weitestgehend unverbindlich ausgestaltet. Trotzdem sind daran bestimmte Vorgaben aus Verfassungs- und Landesrecht geknüpft. Bei Nichteinhaltung dieser Vorgaben kann das zur Aufhebung der Volksbefragung führen und es drohen für Bürgermeister bzw. Gemeinderäte zumindest politische Folgen. Zwar könnten Volksbefragungen auch wiederholt werden, das könnte jedoch politisch als Niederlage gewertet werden und führte letztlich zu unnötiger Ressourcenverschwendung. Wie also muss eine Volksbefragung gestaltet sein, damit sie am Ende rechtlich hält?

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) judiziert ein strenges Klarheitsgebot für die konkrete Fragestellung. Gerade direkte Demokratie erfordert, dass das, was zur Entscheidung vorgelegt wird, klar und eindeutig ist, um Manipulationen und Missverständnisse soweit wie möglich ausschließen zu können. Dabei ist irrelevant, wie intensiv die Frage vor einer Volksbefragung in der Öffentlichkeit bereits diskutiert wurde. Unklare oder irreführende Fragen, die mit der konkreten Problemstellung nicht in Zusammenhang stehen, sieht der VfGH als unzulässig an.

Suggestivfragen verboten

Fragen, mit denen versucht wird, die Antwort in eine bestimmte Richtung zu lenken, sind ebenfalls unzulässig. Suggestivfragen oder komplizierte doppelte Verneinungen sind jedenfalls zu unterlassen: Die Frage „Treten Sie dafür ein, dass die von der Stadt Graz geplante Verlängerung der Linie 6, die in dieser Form nicht zur Lösung der bestehenden Verkehrsprobleme beiträgt, nicht zur Ausführung gelangt?“ war aus diesem Grund unzulässig.

Bei Volksbefragungen auf Gemeindeebene muss darüber hinaus klar sein, dass es sich bei der Frage um eine Angelegenheit handelt, die in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde fällt (Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereichs). So war dem VfGH z. B. die Frage „Sollen im Gemeindegebiet max. sechs Windkraftanlagen errichtet werden?“ nicht eindeutig genug. Insbesondere wurde die Frage aufgeworfen, ob Gegenstand dieser Frage eine Angelegenheit des eWb der Gemeinde sei. So ist unklar, ob die Frage auf die Umwidmung gerichtet sei, oder ob die Gemeinde selbst Windkraftanlagen errichten möchte.

Die Frage „Sind Sie dafür, dass die bereits beschlossene und im Landesamtsblatt Nr. 51/2021, Zahl 419, kundgemachte Widmung ‚Photovoltaik – GPv‘, ausgewiesen in der Photovoltaik-Eignungszone Güssing, Landesgesetzblatt Nr. 60/2021, Anlage 3, für die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen beibehalten wird?“ war unzulässig. Denn es war nicht eindeutig, welche konkreten Fragen gestellt werden und worauf die Fragestellung abzielt. Damit war es letztlich auch nicht möglich festzustellen, ob es sich um eine Angelegenheit der Gemeinde handelt.

Weitere Details zu Zulässigkeit, Form und Durchführung von Volksbefragungen auf Gemeindeebene finden sich im Landesrecht und sind daher je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet.

Schranken durch Landesrecht

Bei der Planung und Durchführung von Volksbefragungen, vor allem auf Gemeindeebene, ist eine sorgfältige Formulierung der Frage somit von entscheidender Bedeutung. Die Frage muss klar und unmissverständlich formuliert sein. Das Spannungsverhältnis zwischen verfassungsrechtlichem Rahmen und konkreten landesgesetzlichen Vorgaben ist dabei zu beachten.

Dazu ergeben sich inhaltliche Schranken aus dem Landesrecht, etwa bei der örtlichen Raumordnung. So kann nur eine solche Frage Gegenstand einer Volksbefragung sein, die die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich auch tatsächlich regeln kann. Fragen zur überörtlichen Energieraumplanung, die auf Landesebene zu besorgen ist, sind auf Gemeindeebene also nicht zulässig. Lässt die Landesenergieraumplanung jedoch einen gewissen Spielraum für die Gemeinde (z. B. in Eignungszonen in Niederösterreich oder der Steiermark), so sind Fragen innerhalb dieses verbleibenden Wirkungsbereichs der Gemeinden möglich.

Das Spannungsverhältnis bei Volksbefragungen zwischen VfGH und Landesrecht zeigt sich eindrücklich in der Steiermark: „Volksbefragungen über konkrete Personalfragen, Wahlen und Entscheidungen, die bestimmte Personen betreffen“ sind gemäß Steiermärkischem Volksrechtegesetz ausgeschlossen. Dabei ist unklar, ob ausschließlich Personalentscheidungen in der Gemeinde gemeint sind, oder ob es darum geht, dass keine Personennamen in der Volksbefragung angeführt werden dürfen. Vom äußerst unbestimmten Wortlaut könnte außerdem auch die indirekte Bestimmbarkeit von Personen, z. B. durch Nennung von Grundstücken bei Umwidmungen, erfasst sein.

Sonderproblem Steiermark

Nun betrifft aber fast jede Entscheidung irgendwie einen bestimmtem Personenkreis oder einzelne Personen und es wäre dann bei strenger Auslegung des Landesgesetzes nicht möglich, Volksbefragungen in der Steiermark rechtskonform durchzuführen. In einem aktuellen Judikat zur Widmung für Fotovoltaikanlagen im Burgenland merkte der VfGH in einem Nebensatz außerdem an, dass es unklar war, um welche Grundstücke es sich konkret handelte.

Sollten also keine Grundstücke oder zumindest eine passende Ortsangabe genannt werden, könnte die Frage für den VfGH somit zu unbestimmt sein. Insgesamt empfiehlt es sich daher, entweder die von der Umwidmung betroffenen Grundstücke konkret zu nennen oder zumindest eine hinreichend genaue Ortsangabe zu machen, um dem Klarheitsgebot des VfGH zu entsprechen. Eine Klarstellung im Steiermärkischen Volksrechtegesetz durch den Landesgesetzgeber wäre hier wünschenswert.

Die Frage sollte außerdem möglichst neutral formuliert sein. Die Erwähnung möglicher Vorteile für die Gemeinde oder deren Bürger, die sich z. B. durch einen Windpark ergeben würden (etwa billigerer Strom durch Energiegemeinschaft), könnten, je nach Formulierung problematisch sein. Allenfalls könnte unterstellt werden, dass damit die Antwort in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll.

author: Christoph Jirak 

Christoph
Jirak

Attorney at Law

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