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12 December 2025
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Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) – Startpunkt für umfassende Strommarktreform

Gestern hat sich der Nationalrat auf das "Günstiger-Strom-Gesetz" geeinigt – ein Gesetzespaket, das auch das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) umfasst. Das ElWG ersetzt das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 und bringt die lange erwartete Reform der österreichischen Strommarktregeln. Gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung wurden im Nationalrat nicht unerhebliche Änderungen vorgenommen. Ein kurzer Überblick.

Infrastrukturbeitrag statt Einspeisetarif

Anstelle eines Netznutzungsentgelts für Einspeiser kommt nun ein "Versorgungsinfrastrukturbeitrag" (§ 75a ElWG), der ab 1. Jänner 2027 jährlich bei der Einspeisung von Strom fällig wird. Einspeiser bis zu einer netzwirksamen Leistung von 20 kW sind vom Versorgungsinfrastrukturbeitrag befreit. Der Beitrag wird für jedes Kalenderjahr durch eine Verordnung festgelegt, wobei die Belastung pro Einspeiser auf 0,05 Cent/kWh der eingespeisten Jahresstrommenge gedeckelt ist.

Bei der Ausgestaltung des Versorgungsinfrastrukturbeitrags muss gewährleistet sein, dass der wirtschaftliche Betrieb der Anlagen möglich bleibt und keine negativen Auswirkungen auf die Strompreisentwicklung entstehen. Zudem ist der Beitrag so zu berechnen, dass die Netzebenen gleichmäßig belastet werden.

Der Versorgungsinfrastrukturbeitrag wird von den Netzbetreibern eingehoben und ist bei deren Kostenbasis kostenmindernd anzusetzen. Es bleibt abzuwarten, ob darin nicht ein "verstecktes" Netzentgelt gesehen werden kann, dessen Höhe – aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben – grundsätzlich von der Regulierungsbehörde festzulegen wäre. Dem könnte aber entgegengehalten werden, dass dem nationalen Gesetzgeber im Rahmen des Unionsrechts  ein gewisser rechtspolitischer Gestaltungsspielraum verbleibt [Rajal/Barabas, ecolex 2024, 661].

Netzanschlussentgelt

Einspeiser haben – wie schon bisher – ein Netzanschlussentgelt zu zahlen, wobei für Anlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger Pauschalen zwischen 13 und 91 Euro pro kW vorgesehen sind. Gegenüber dem Vorschlag der Bundesregierung wurde die Befreiung vom Netzanschlussentgelt von Einspeisern bis 15 kW (statt den bisher geplanten 7 kW) netzwirksamer Leistung beschlossen. Damit werden künftig wesentlich mehr Anlagen vom Anschlussentgelt befreit sein.

Vereinfachter Netzanschluss für kleine PV-Anlagen

Die Regelung zum vereinfachten Netzanschluss für kleine PV-Anlagen wurde ausgeweitet: Künftig sind PV-Anlagen mit einer netzwirksamen Leistung von bis zu 15 kW (statt der im Regierungsvorschlag vorgesehenen 7 kW) an einen bestehenden Bezugsanschluss anzuschließen, ohne dass dafür ein (zusätzliches) Netzanschlussentgelt anfällt. Sobald die Anlagen angeschlossen sind, dürfen sie 100 % der vereinbarten Bezugsleistung, maximal jedoch 15 kW (statt den bisher geplanten 7 kW) in das Netz einspeisen.

Beim Anschluss sonstiger Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien über einen bestehenden Netzanschluss für die Entnahme fällt künftig nur für die über 15 kW hinausgehende netzwirksame Leistung ein Netzanschlussentgelt an. Im Vorschlag der Bundesregierung war eine Reduktion um 85 % vorgesehen.

Spitzenkappung

Die netzwirksame Leistung von bestimmten PV- und Windkraftanlagen kann künftig dauerhaft begrenzt werden. Bei Windkraftanlagen kann es ab dem 1. Jänner 2027 zu Einschränkungen kommen, wobei das Ausmaß der Spitzenkappung maximal 1 % (statt der bisher vorgesehenen 2 %) der erzeugten Jahresenergiemenge einer Referenzanlage 15 % ihrer Maximalkapazität nicht überschreiten darf. Auch die Spitzenkappungsregelung für PV-Anlagen wurde entschärft: Die Begrenzung der netzwirksamen Leistung dieser Anlagen darf 70 % (statt den bisher geplanten 60 %) der Modulspitzenleistung nicht unterschreiten.

Anlagenbetreiber erhalten im Fall der Leistungsbegrenzung keinen finanziellen Ausgleich und sind verpflichtet, an der Vermeidung von Ausgleichsenergiekosten aktiv mitzuwirken. Etwaige Ausgleichsenergiekosten sind – abhängig vom Zeitpunkt der Ankündigung der Spitzenkappungsmaßnahme – entweder vom Erzeuger oder vom (verursachenden) Netz-betreiber zu tragen. Vor diesem Hintergrund sind saubere vertragliche Regelungen in Bezug auf die bestmögliche Vermeidung von Ausgleichsenergiekosten im Rahmen von Abnahmeverträgen empfehlenswert.

Förderung von Bürgerenergiegemeinschaften

Erzeugungsanlagen von Bürgerenergiegemeinschaften (BEGs) können Marktprämien nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) für die in das öffentliche Netz eingespeisten, jedoch nicht innerhalb der BEG verbrauchten Strommengen aus erneuerbaren Quellen beziehen. Bisher galt dabei, dass maximal 50 % der von der Anlage eingespeisten Strommenge durch Marktprämie gefördert werden dürfen. Diese Schwelle soll nun entfallen, um bürokratische Hindernisse bei der Förderabwicklung abzubauen. Unverändert gilt: BEGs dürfen nicht auf Gewinn ausgerichtet sein.

Sonstige wichtige Inhalte des ElWG

  • Systemdienlicher Betrieb von Anlagen
    • Der systemdienliche Betrieb dient als Leitkriterium für Anreize, ua für Netzentgeltbefreiungen von Energiespeicheranlagen. Systemdienlicher Betrieb liegt vor, wenn Anlagen durch Kostenreduktion/-vermeidung oder Sicherung der Netz- und Versorgungssicherheit Netzspitzen vermeiden und Netzausbau mindern. Pumpspeicherkraftwerke sind aufgrund einer Übergangsbestimmung generell vom Netznutzungsentgelt befreit.
  • Flexibler Netzanschluss / Netzzugang
    • Einspeisern kann im Fall ihres neuen Netzzugangs oder einer Änderung ihrer netzwirksamen Leistung ein flexibler Netzzugang gewährt werden. Beim flexiblen Netzzugang handelt es sich grundsätzlich um eine temporäre Maßnahme bis zur Herstellung der für den Netzanschluss im vollen Umfang erforderlichen Kapazitäten. Bemerkenswert ist, dass für die Bezugsseite keine Möglichkeit eines temporären flexiblen Netzzugangs besteht. Das könnte für bidirektionale Anlagen (Batterien, Ladestationen) eine (unsachliche) Einschränkung darstellen.
  • Aktiver Kunde und Eigenversorgungskonzepte
    • Aktive Kunden – das sind Endkunden wie Haushalte oder Unternehmen – können künftig an allen Strommärkten teilnehmen. Sie können Flexibilität (Last- und Einspeisesteuerung) bereitstellen sowie eigenerzeugten Strom verbrauchen, speichern und verkaufen. Die Einrichtung von Abrechnungspunkten (vergleichbar mit virtuellen Zählpunkten) bietet einen weiten Spielraum unterschiedlicher Marktteilnahmeoptionen für aktive Kunden, insbesondere wenn sie sich des erstmals regulierten Aggregierungsmodells bedienen, im Rahmen dessen Einspeisekapazitäten und Lasten mehrerer Marktteilnehmer (aktiver Kunden) gebündelt vermarktet werden können.

Autoren: Bernd Rajal, Patrick Barabas

Bernd
Rajal

Partner

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